Einführung

Parodontitis: Entzündung des Zahnhalteapparats

Definition: Bei der Zahnkrankheit Parodontitis handelt es sich um eine Entzündung des Zahnhalteapparats (Parodont), die i. d. R. als Abwehrreaktion auf Bakterien entsteht. Früher bezeichnete man diese Entzündung als Parodontose.

Eine bakteriell-induzierte Entzündung des Zahnhalteapparats hat entweder in einer Entzündung des Zahnfleischs (Gingivitis) oder einer Entzündung des Zahnnervs (Pulpitis) ihren Ursprung. Erstere wird apikale Parodontitis genannt, letztere marginale Parodontitis. Die chronische Variante der marginalen Parodontitis zählt zu den weltweit häufigsten chronischen Entzündungskrankheiten.

Bei fortschreitender Entwicklung einer Entzündung des Zahnhalteapparats wird Kieferknochen nach und nach abgebaut und es kann zum Verlust der Zähne kommen.

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Infos für Patienten Infos für Zahnärzte

Ursachen, die Patienten selbst im Griff haben:

  • Mangelnde Mundhygiene
  • Mangelnde Prophylaxe
  • Nicht wahrgenommene Kontrolluntersuchungen
  • Zu wenige Professionelle Zahnreinigungen

Ursachen, die der Zahnarzt ggf. zusätzlich feststellt:

Symptome, die Patienten bei sich selbst feststellen können:

  • Gerötetes Zahnfleisch
  • Zahnfleischbluten
  • Freiliegende Zahnhälse
  • Kälte- bzw. Wärmeempfindlichkeit
  • Starker Mundgeruch
  • Gelockerte Zähne

Symptome, die der Zahnarzt ggf. zusätzlich feststellt:

Diagnose

Das frühzeitige Erkennen einer marginalen Parodontitis ist von entscheidender Bedeutung. Zu einer solchen Früherkennung bietet sich die Erhebung des PSI-Codes (Parodontaler Screening Index) an. Hierbei wird das Gebiss in Sextanten unterteilt, die jeweils für sich genommen vom Zahnarzt auf ein Parodontitis-Risiko hin untersucht werden: Mittels einer speziellen Sonde wird die Tiefe und Beschaffenheit der Zahnfleischtaschen aller Zähne im Mund untersucht. Die Ergebnisse werden als Zahlencodes festgehalten.

Während der Code 0 für ein gesundes Zahnfleisch steht und die Ergebnisse 1  - 2 das Vorliegen einer Gingivitis bescheinigen, sind die Codes 3 und 4 mit der Diagnose Parodontitis gleichzusetzen.

Abhängig von den Befunden im PSI-Code können Vorsorgemaßnahmen eingeleitet, ein kompletter Parodontalbefund erhoben oder eine systematische Parodontitistherapie eingeleitet werden.

Kompletter Parodontalbefund

Bei der Aufnahme des kompletten Parodontalbefundes untersucht der Zahnarzt zum einen die genauen Auswirkungen der vorhandenen Parodontitis (Attachmentverlust, Zahnbeweglichkeit, Furkationsbeteiligung) zum anderen nimmt er auch individuelle anatomische Voraussetzungen beim Patienten unter die Lupe (Mukogingivalbefund).

Zudem beurteilt er die Knochensituation und das Zahnfleisch in ihrer Gesamtheit. Ersteres geschieht vor allem durch röntgenologische Untersuchung des Kieferknochens, letzeres durch Sichtanalyse und Vergleich. Gesundes Zahnfleisch hat eine bestimmte Beschaffenheit. Sowohl Farbe, Form, Verlauf und Breite als auch die Oberfläche und Konsistenz einer entzündungsfreien Gingiva kann damit als Vergleichsmuster dienen.

Attachmentverlust

Unter Attachment versteht man in der Zahnmedizin die Gesamtheit aller Faktoren, die den Zahn festhalten. Dies sind zum einen die Verankerung im Kieferknochen und zum anderen der Halt im Zahnfleisch (epitheliale Anheftung). Da eine Parodontitis sowohl den Knochen als auch das Zahnfleisch schädigt, geht eine solche Entzündung mit einem Verlust beider Halte-Faktoren einher: Ein Attachmentverlust tritt ein.

Je weiter eine Parodontitis fortschreitet, umso mehr baut sich Knochen ab, umso tiefer werden Zahnfleischtaschen und umso größer wird der sog. Attachmentverlust.

Im Zuge der Erhebung eines Parodontalbefundes wird nun nicht das Attachment selbst gemessen, sondern der Attachmentverlust. Dies geschieht ähnlich wie bei der Erhebung des PSI-Codes durch Sondierung der Zahnfleischtasche, indem das Attachment-Niveau gemessen wird.

Das Attachment-Niveau ist definiert als Distanz der Schmelz-Zement-Grenze (SZG) zum Boden der Zahnfleischtasche (Taschenfundus). Je größer das Attachment-Niveau, umso kleiner das Attachment.

Der Attachmentverlust kann nun in zweifacher Hinsicht interpretiert werden:

  1. Attachment-Verlust im Vergleich zum gesunden Zustand
  2. Attachment-Verlust in einem gegebenen Zeitraum bzgl. eines gegebenen Niveaus

Ersterer kann durch einmalige Sondierung festgestellt werden und erlaubt eine Einschätzung zum Fortschritt der Krankheit. Letzterer dient als Messgröße zur Bestimmung des Erfolges von therapeutischen Maßnahmen bei mehrfacher Sondierung in zeitlichen Abständen.

Zahnbeweglichkeit

Da eine Parodontitis immer mit dem Verlust von Attachment einhergeht, lockern sich Zähne auf kurz oder lang: Sie werden beweglicher. Daher ist die Bestimmung der Zahnbeweglichkeit Teil eines kompletten Parodontalbefundes.

Zur Bestimmung der allgemeinen Zahnbeweglichkeit werden die zu untersuchenden Zähne sowohl hinsichtlich ihrer statischen als auch ihrer dynamischen Beweglichkeit untersucht.

Der für den zahnmedizinischen Laien fremd anmutende Begriff einer "statischen Beweglichkeit" zielt im Wesentlichen auf das Phänomen ab, das die meisten noch aus ihrer Kindheit kennen: Man ruckelt am Zahn und dieser bewegt sich in seiner Halterung. Die Frage ist nur, wie sehr.

Dynamische Beweglichkeit hingegen bildet die Fähigkeit von Zähnen ab impulsartige Kräfte "zu schlucken".

Zahnwurzel-Gabeln beteiligt?

Als Furkation wird in der Zahnmedizin die Stelle bezeichnet, an der sich bei zwei- oder mehrwurzeligen Zähnen die Zahnwurzeln aufgabeln.

Je weiter eine Parodontitis fortschreitet, umso mehr Knochen wird abgebaut. In einem gewissen Stadium tritt der Knochenverlust auch an Furkationen auf. In diesem Fall spricht der Zahnarzt von einer sog. Furkationsbeteiligung.

Die Bestimmung der Furkationsbeteiligung erfolgt durch Sondierung des betreffenden Bereichs unter dem Zahn. Das Ergebnis wird in drei Graden festgehalten, wobei Grad I eine Sonderungstiefe der Furkation unter 3mm bedeutet und Grad III einen "glatten Durchstoß" markiert.

Allgemeiner Knochenstatus

Der Zustand des Kieferknochens kann durch manuelle Kontrolle, etwa Sondierung, nur bedingt untersucht werden. Zur Feststellung des Knochenverlusts sind röntgenologische Untersuchungen daher unabdingbar.

Aber auch mit Hilfe von Röntgendiagnostik ist die Beurteilung der gesamten parodontalen Knochensituation schwierig. Hier stößt die althergebrachte zweidimensionale Technik an ihre Grenzen. Daher nimmt der Einsatz moderner dreidimensionaler Bildgebungsverfahren, wie sie in der Implantologie schon beinahe Standard sind, auch in der Parodontologie zu.

Mit Hilfe der Digitalen Volumentomographie (DVT) lässt sich ein gutes Bild des allgemeinen Knochenstatus erzeugen.

Befund der Weichteile

Die Beschaffenheit der Bändchen (Zungenbändchen, Wangenbändchen, Lippenbändchen) im Zusammenspiel mit der Ausgestaltung des Mundvorhofs (Vestibulum) kann unter Umständen dem Rückgang des Zahnfleischs Vorschub leisten (Mukogingivalbefund).

Arten

Grundsätzlich werden ursachenbedingt zwei Arten der Parodontitis unterschieden: Die apikale Parodontitis, die an der Zahnwurzel bzw. an deren Spitze (Apex, apikal) ihren Ausgang nimmt und die marginale Parodontitis, deren Ursprung am Rand (margo) des Zahnfleischs zu verorten ist.

Da diese beiden Formen der Parodontitis zwei verschiedene Ursachen haben, sind die Behandlungsansätze extrem unterschiedlich.

Apikale Parodontitis (AP)

Die apikale Parodontitis (Wurzelspitzen-Entzündung) wird meist durch eine nicht-behandelte Pulpitis (Zahnmark- bzw. Zahnnerv-Entzündung) verursacht. Ausgehend von einer Karies-Infektion entzündet sich zunächst die Pulpa, welche im Verlauf der Krankheit abstirbt (Pulpanekrose).

Durch die Wurzeln gelangen die Erreger schließlich in den Zahnhalteapparat (Parodont), wo sie entzündliche Prozesse auslösen.

Marginale Parodontitis (MP)

Ausgelöst durch unter dem Zahnfleischsaum befindliche Zahnbeläge (subgingigvale Plaque), kommt es zunächst zu einer Entzündung des Zahnfleischs (Gingivitis). Hierbei schwillt das Zahnfleisch an und rötet sich. Die Zahnfleisch-Furche (Sulkus) – also der Rand zwischen Zahn und Zahnfleisch – wird vertieft: Pseudozahnfleischtaschen bilden sich. Die Tiefe des Sulkus beträgt bei Pseudotaschen bis zu 3 mm.

Im Übergang von einer Gingivitis zu einer marginalen Parodontitis löst sich nun das Zahnfleisch von Zahn ab (Attachmentverlust) und es kommt zu einer Vertiefung der Zahnfleischtaschen von mehr als 3 mm; echte Taschen entstehen (supra- und infraalveoläre Taschen). Knochen wird abgebaut. Eitrige Ausflüsse aus dem Sulkus und die Bildung von Abszessen sind keine Seltenheit.

Da der Organismus ständig versucht, den bakteriellen Angriff aufzuhalten und damit zum Teil erfolgreich ist, wechseln sich Phasen der Progression und Phasen der Stagnation der Krankheit ab. Meistens folgen langen Phasen der Stagnation kurze Phasen der Progression.

Weiterhin unterscheidet man spezifische Formen der marginalen Parodontitis: Chronisch oder aggressiv.

Während die chronische Parodontitis (CP) i. d. R. auf einzelne Zähne beschränkt bleibt und verhältnismäßig langsam fortschreitet, ist es ein Kennzeichen der aggressiven Parodontitis (AgP), dass häufig viele Zähne betroffen sind und die Krankheit in Phasen der Progression schnell (aggressiv) fortschreitet.

Therapie und Behandlung

Die Therapie einer apikalen Parodontitis unterscheidet sich grundlegend von Behandlungen der marginalen Variante, da der Auslöser hier in erster Linie nicht supra-gingivale Plaque, sondern ein kariöser Zahn ist.

Apikale Parodontitis (AP)

Abhängig vom Zustand des verursachenden Zahns und des umliegenden Gewebes kommen folgende Behandlungen in Betracht:

Marginale Parodontitis (MP)

Die Therapie einer marginalen Parodontitis unterscheidet sich grundlegend von Behandlungen der apikalen Variante, da der Auslöser hier in erster Linie kein kariöser Zahn, sondern supra-gingivale Plaque ist.

Notwendiger Bestandteil jeder Behandlung einer marginalen Parodontitis ist die Beseitigung der Plaque, welche die Entzündung ausgelöst hat. Diese kausale Behandlung ist der Fokus der konservativen Therapie.

In den Fällen, wo eine Heilung durch konservative Methoden nicht möglich war, schließt sich eine chirurgische Therapie an. Diese kann sowohl ergänzende Maßnahmen zur Plaquereduktion beinhalten (offene Kürettage) als auch Maßnahmen zur Korrektur bzw. Widerherstellung von zerstörtem Gewebe (Rekonstruktion).

Konservative Therapie

Die konservative Behandlung einer marginalen Parodontitis besteht im Wesentlichen aus der Entfernung von Zahnbelägen an der Zahnwurzel mittels Instrumenten (Kürettage).

Hierbei gilt: Je ausgeprägter der Schaden, der durch die Entzündung entstanden ist (Taschentiefe, Furkationsbeteiligung), umso schwieriger ist es, eine konservative Therapie anstatt einer chirurgischen anzuwenden. Ein sorgfältig arbeitender und erfahrener Zahnarzt kann jedoch auch beim Vorliegen tiefer Taschen mit konservativen Handinstrumenten (Küretten und Scalern) erfolgreich sein.

Ein weiteres Instrument der konservativen Therapie ist der Einsatz von Schallwerkzeugen. Hierbei werden die Beläge mittels Ultraschall entfernt.

Ergänzende Maßnahmen stellen unter Anderem die Anwendung von Lasertherapie und die Ozonbehandlung dar. Die Kosten dieser Verfahren müssen jedoch von gesetzlich Versicherten Patienten selbst getragen werden, da die Krankenkasse sie nicht übernimmt.

Abhängig davon, wie viele Zähne betroffen sind und wie groß das Ausmaß der Entzündung ist, sind unter Umständen mehrere Sitzungen nötig, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Da bei der Verteilung der Behandlung auf mehrere Sitzungen jedoch das Risiko einer Reinfektion von behandelten Bereichen durch unbehandelte besteht, wird die Anzahl der Sitzungen i. d. R. auf ein Minimum reduziert. Die gleichzeitige Behandlung aller Taschen wird als "full-mouth-disinfection" bezeichnet.

Eine erfolgreiche konservative Therapie bewirkt einen Rückgang der Entzündung und eine Verbesserung des Atachments.

Chirurgische Therapie

Die chirurgische Therapie einer marginalen Parodontitis besteht aus zwei unterschiedlichen Komponenten.

Erstens können chirurgische Maßnahmen eingesetzt werden, um die konservative Behandlung zu ergänzen. Hierunter fallen alle chirurgisch-gestützten Verfahren und Methoden, die eine Taschenreduktion oder Taschenelimination zum Ziel haben.

Erwies es sich beispielsweise im Zuge konservativer Bemühungen, dass die Entfernung der Plaque im Wurzelbereich nur unzureichend möglich war, so kann die Eröffnung des betroffenen Gebietes helfen. Denn auf diese Weise kann der Zahnarzt auf Sicht arbeiten und zudem vormals unzugängliche Gebiete erreichen (offene Kürettage).

Zweitens werden chirurgische Methoden eingesetzt, um durch Parodontitis zerstörtes Gewebe zu entfernen, widerherzustellen oder zu modellieren.

Haben sich im Zuge der Erkrankung bspw. Wucherungen gebildet, so werden diese entfernt (Gingivektomie) und wurden die Papillen in Mitleidenschaft gezogen, so können sie rekonstruiert werden (Mukoperiostlappen).

Prophylaxe und Vorbeugung

Zahnkrankheiten wie Parodontitis kann am besten durch gründliche Zahnprophylaxe vorgebeugt werden.

Dazu gehören das richtige Zähneputzen sowie der Einsatz von Zahnseide und Mundspülungen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass mit der Zahnbürste und der Zahnseide nicht zu grob umgegangen werden darf, um Verletzungen des Zahnfleisches zu vermeiden.

Zusätzlich sollte alle 6 Monate eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) beim Zahnarzt durchgeführt werden. Dabei werden die schwer zugänglichen Beläge in den Zahnzwischenräumen und in den Zahnfleischtaschen entfernt.

Sind die Taschen zwischen den Zähnen und dem Zahnfleisch sehr tief (5mm) empfiehlt es sich, zur Vorbeugung der Gingivitis die PZR sogar alle 3-4 Monate durchführen zu lassen. Auch bei Rauchern und anderen Risikopatienten wird empfohlen, die Zähne mindestens zweimal im Jahr professionell reinigen zu lassen.

Globale Informationen zum Inhalt (Disclaimer)

Die aufgeführten Informationen sollten nicht als alleinige Grundlage für Entscheidungen dienen, die Ihre Gesundheit betreffen. Holen Sie bitte stets auch den Rat Ihres Arztes ein.

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